„FREIHEIT AUSHALTEN!“

Spielzeit 2024/2025

„FREIHEIT AUSHALTEN!“ – das war der Titel eines Soloprogramms, mit dem der Kölner Kabarettist Richard Rogler in den 80er Jahren tourte. Wir nehmen uns die Freiheit, diese clevere Umformung der „Ausfahrt freihalten“-Anweisung zum Motto der neuen Spielzeit zu erklären. Warum?
Viele Menschen scheinen sich nach einer „Vereindeutigung“ der Welt zu sehnen. Nach einer schlichten Einteilung in Gut und Böse, Täter und Opfer …  es fällt schwer, Ambivalenzen auszuhalten. Ungewissheit zu ertragen. Diskurse zu führen, statt abzusagen. Widerstreit zuzulassen. Eigenschaften, die grundlegend sind für den Erhalt einer demokratischen Gesellschaft. Fähigkeiten, die in der Begegnung mit Kunst und im Theater erprobt werden können: hier soll die Offenheit, die Mehrdeutigkeit, die Dissonanz, die Vielfalt nicht aufgelöst, sondern zugelassen, ja sogar gefeiert werden.
Franz Kafka war Meister der Ambivalenzen. Mit ihm eröffnen wir die Spielzeit. „Angriffe auf Anne“, das seinen Autor Martin Crimp weltweit bekannt machte, zieht seine Spannung aus den vielen Perspektiven von Menschen auf eine Person (oder ein Auto?), die selber nie auftaucht. Martin Schulze wird das Stück mit den diesjährigen Absolventen der Schauspielschule Der Keller erarbeiten. „Der Spießer“, so Ödon von Horváth, sei einer, der sich „überall feige anzupassen“ versucht. Ungewissheiten kann er schon gar nicht aushalten. Der neue Typ des Spießers, so Horváth, sei erst im Werden … für Sebastian Kreyer, der Horváths Roman auf die Bühne bringen wird, ist er womöglich schon da. Oder wieder da.
Die letzte Premiere in dieser Spielzeit schließlich beschäftigt sich mit der Vieldeutigkeit der Kunst selbst. Hier ist der Ort, um auch mal andere Positionen auszutesten. Um die Perspektive zu wechseln oder einfach nur die Stille zu ertragen. Nicht alles restlos erklären zu können. Freiheit auszuhalten.

DER MENSCHLICHE FAKTOR

Spielzeit 2023/2024

Ich lebe in einer verwundeten Welt und ich weiß, dass ich die Wunde bin: Erde, die
Erde mit Erde zerstört.

John Green aus WIE HAT IHNEN DAS ANTHROPOZÄN BIS JETZT GEFALLEN?

Menschen sind fehleranfällig. Menschen sind für die größten Übel, deren Folgen sie dann erleiden müssen, selbst verantwortlich. Sie tun sich gegenseitig schlimme Dinge an, entwickeln Technologien, deren Konsequenzen sie nicht mehr überblicken, und die Natur wäre ohne den Menschen womöglich auch besser dran.
Menschen sind erstaunliche Wesen. Die Funktionsweise ihres Gehirns ist ebenso rätselhaft wie das Universum; und sie können einander auch das geben, was sie selbst am meisten brauchen: Empathie, Zuwendung, Liebe, schöpferische Kraft. Menschen sind – allen Algorithmen zum Trotz – noch immer nicht hundert Prozent berechenbar. Wir widmen uns in dieser Spielzeit dem menschlichen Faktor.