Traudl Junge war Hitlers Sekretärin - in jungen Jahren naiv, reflektiert sie im Alter selbstkritisch und geplagt von Schuldgefühlen ihre Verstrickung in moralisch dunkle Gefilde.
Daniel Breitfelder (ausgezeichnet mit dem Kölner Darsteller*innenpreis) stellt sie und ihr Ringen mit den Schatten der Vergangenheit eindrucksvoll dar.
Darüber hinaus entdecken er und Sebastian Kreyer auf der Bühne nach und nach aber auch die Risse im eigenen Lebensentwurf, wenn es um moralisch gute Lebensführung geht; immer mehr treten die kleinen Lügen, Verstellungen und Ungereimtheiten zum Vorschein, die die Beiden selbst von einem „guten“ Leben trennen. Zumal als Theaterschaffende, denen es in dieser „moralischen Anstalt“ doppelt schwer fällt, sich gänzlich ohne Zynismus zu bewegen.
All das zeigt der Abend mit großer Leichtigkeit und viel Humor - was angesichts des eigentlich ernsten Themas nicht selbstverständlich ist. Ein unerwartet privater und ehrlicher Abend des Produktionsbüros Petra P. in Kooperation mit NS-DOK und dem Sommerblut Kulturfestival. Gefördert durch das Kulturamt der Stadt Köln.
Das queere Kollektiv Produktionsbüros Petra P. besteht aus Daniel Breitfelder, Johannes Brüssau und Sebastian Kreyer. Mit ihrer unverwechselbaren Ästhetik lesen sie die unterschiedlichsten Stoffe que(e)r. Für das Theater Der Keller produzierten sie zuletzt Der ewige Spießer, für das Sommerblutfestival 2024 den Abend Queere Revolution (u.a. Nominierung Kölner Theaterpreis).

In einem genialen Balanceakt zwischen ernstem und urkomischem Tonfall verweben sich hier die Erinnerung der jungen Frau und die Auseinandersetzung der beiden Künstler mit der eigenen Biografie und ihren kleinen und größeren Rissen. Unterhaltsamer und nachdenklich stimmender kann ein Theaterabend kaum sein.
— Kölner Stadtanzeiger, Mai 2025
Kurze Video-Interviews mit Jugendlichen und Erwachsenen zu Schlagworten wie 'historische Verantwortung' bzw. 'Kollektivschuld' lockern den schweren Stoff. Nicht nur sie steuern das vielschichtige Bühnenprojekt in alternative Aufarbeitungsgefilde des Geschehenen sowie der Gegenwartswahrnehmung. Mit 'Traudl Junge' gelingt dem Ensemble ein unkonventioneller Beitrag zur Erinnerungskultur, der weder im Zähnefletschen noch im Tätscheln eines Tieres erstarrt.
— Choices, Juni 2025